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1. Möglichkeiten der Auswertung von Messgrößen

Wie bei jedem anderen informationsverarbeitenden Prozess werden Inputdaten, die hier in Form von Messgrößen zyklisch oder ereignisbezogen erfasst werden, nach beliebigen Algorithmen verarbeitet, um daraus Rechen- oder Statusgrößen für beliebige nachfolgende Anwendungen bzw. Module zu erhalten, z.B. Ist-Werte für Regelungen.
Dabei bestehen die Algorithmen i.a. aus der Verarbeitung bzw. Verknüpfung des Inputs mit algebraischen/ arithmetischen Operationen.

Alternativ können Algorithmen auch in qualitativer bzw. unscharfer Form von Regeln (Verknüpfung von Aussagen) vorliegen. Aus den Inputwerten werden dann Zutreffensmaße der Aussagen berechnet. Den Regeln entsprechend können dann diese Zutreffensmaße der abgeleiteten Aussagen (Memberfunktionen) wiederum arithmetisch zu einem deterministischen Output verknüpft werden (Fuzzy).

Kann der Lösung kein expliziter Algorithmus zugrundegelegt werden, besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von Referenzdaten lernfähige Strukturen zu trainieren (Wichtungsvektoren) und den gewüschten Output über diese entsprechend trainierten Strukturen zu berechnen.

2. Modellbasiertes Vorgehen/Simulation

Insbesondere bei komplexeren MSR-Prozessen sind ausreichend genaue Modelle und die Simulation vorteilhaft; im Falle von Regelungen oder Steuerungen, deren Anforderungen Dynamik bzw. Stabilität beinhalten, praktisch unerlässlich. Abgesehen davon kann dieser Arbeitsschritt für andere Aufgaben notwendig sein, z.B. bei der Hardwaregestaltung der Strecke selbst.

Die Modellbildung kann beispielsweise durch die mathematische/physikalische Beschreibung der Strecke durch ein Differentialgleichungssystem erfolgen; falls dies nicht zielführend ist, können auf Basis über die Strecke vorliegende Informationen auch direkt abstrakte kanonische Beschreibungsmodelle (z.B. rationalen Übertragungsfunktionen, Pol-Nullstellen-Form oder Steuerungsnormalform in Zustandsraumdarstellung) gewählt werden.
Da die Informationsverarbeitung nicht kontinuierlich, sondern nur zu bestimmten definierten Zeitpunkten Ergebnisse bereitstellen kann (Abtastsystem), müssen Sensorsignale gesampelt werden (ADC), die Stellgrößen über die Abtastperiode definiert 'gehalten' werden (z.B. Halteglieder 0ter Ordnung) und im kontinuierlichen Zeitbereich vorliegende Modelle müssen zuerst diskretisiert werden.

Anschließend wird mit geeigneter Stimulierung die Identifikation von Modell und Strecke durchgeführt: Durch den Abgleich von Modell- und Streckenoutput können die Parameter berechnet werden, die minimale Modellfehler liefern, womit die Feststellung verbunden ist, ob das jeweilige Modell zur Beschreibung der Strecke geeignet ist.

3. Steuerungen/Regelungen

Mit Kenntnis des Modells bzw. seiner Parameter kann dann die eigentliche MSR-Lösung entworfen und durch Simulation überprüft werden; beispielsweise kann einem solchen in dynamischer Struktur und Parametern bekannten Streckenmodell zur Realisierung eines vorgegebenen Führungsverhaltens ein Steuerungsalgorithmus vorgeschaltet werden, der dieser gewünschten Führungsdynamik des Gesamtsystems entsprechend entworfen wird.

Praktisch besteht allerdings fast immer das Problem, dass Differenzen zwischen dem theoretischen Verhalten und den gemessenen Werten bestehen. Die Gründe hierfür liegen darin, dass die Messwerte Rauschanteile und Störungen aufweisen; ebenso die Strecke selbst, oder dass sie zu ungenau modelliert oder identifiziert wurde, die Parameter fluktuieren etc. Die Minimierung dieser Differenzen erfordert die Anwendung von Reglern, wobei deren Robustheit bzgl. Streuung (Varianz) und Störungen (Störverhalten) der Systemgrößen ein wesentliches Entwurfskriterium darstellt.

Allerdings beeinflusst die im Regler angewendete Rückkopplungsstruktur widerum die Dynamik des entstehenden Gesamtsystems, also auch die Führungsdynamik. Durch den Einsatz von kombinierten feed-forward /feed-back-Strukturen wird es möglich, dass man die eigentliche Funktion und damit den Entwurf des Reglers (Ausregelung von Störungen) nicht unter Aspekten der Führungsdynamik einzuschränken muss.

4. LTI- und Nicht-LTI-Modelle/Systeme

Für Analyse zeitlich in Parametern und Struktur unveränderlichen Strecken mit linearem Übertragungsverhalten und darauf aufbauenden Steuer- und Regelkonzepten liegt eine mehr oder weniger geschlossene Theorie vor, die allerdings schon bei einfachsten Nichtlinearitäten wie der Begrenzung der Stellgrößen ihre Gültigkeit verliert. Besondere Bedeutung hat die mathematische Beschreibung linearer Systeme im Zustandsraum. Durch Vorfilter und durch Rückführung der einzelnen Zustandsgrößen auf den Systemeingang kann die gewünschte Zieldynamik mehr oder weniger beliebig eingestellt werden. Neben der direkten Polplatzierung kann ein optimales Reglerdesign durch Minimierung bzw. Maximierung vorgegebenener Gütekriterien erfolgen. Delay States können z.B. in Form einer Erhöhung der Systemordnung berücksichtigt werden.

Nachteilig dabei ist, dass bei der Zustandsrückführung die rückzuführenden Zustandsgrößen bekannt (Messwerte) sein müssen, was praktisch evtl. nicht machbar ist. Man kann in diesem Fall versuchen, verhaltensähnliche Varianten mit Ausgangsrückführung zu entwerfen. Eine weit verbreitete Alternative dazu ist die Schätzung von Zustandsgrößen mit Hilfe von Beobachtern .

Für Systeme, die die LTI-Bedingung nicht erfüllen, lassen sich die genannten Lösungskonzepte zumindest nicht uneingeschränkt verwenden und es lassen sich keine allgemeinen Lösungen angeben.
Trotzdem wird versucht, auf der Theorie für LTI-Systeme aufzubauen, z.B.
1. die Strecke für kleine Änderungen der Zustandsgrößen innerhalb des Abtastintervalls zu linearisieren oder
2. die Strecken in statischen nichtlinearen/zeitabhängigen Teil und einen dynamischen linearen Teil (LTI-Teilsysteme) zu zerlegen, um darauf z.B. die Hyperstabilitätstheorie von Popov oder Ljapunow-Funktionen anwenden zu können.

Dabei ist es bei Abtastsystemen möglich, zu jedem beliebigen Abtastzeitpunkt nicht nur Parameter, sondern den kompletten Lösungsalgorithmus zu wechseln (strukturvariable Regler), sofern die Rechenkapazität der Hardware das zulässt. Verbreitete Formen sind schaltende Regler mit jeweils konstantem Output und darauf aufbauende Konzepte (z.B. Sliding Mode Regler).

Die hier genannten Steuer- und Regelungkonzepte für Nicht-LTI-Strecken lassen sich natürlich auch (z.T. sehr vorteilhaft) für LTI-Strecken einsetzen (das gilt auch für die folgend beschriebenen Verfahren).

5. Beobachter, Parameterschätzung und adaptive Verfahren

Wie oben beim Thema Zustandsrückführung erwähnt, besteht häufig das Problem, dass Werte benötigter Systemgrößen nicht zur Verfügung stehen, ob die Messung nun überhaupt nicht oder nicht zuverlässig möglich, störungsbehaftet oder einfach nur zu teuer ist.

Alternativ zur Messung ist die Schätzung von Zustandsgrößen mit Hilfe von Beobachtern möglich, und zwar durch den Vergleich des entsprechend des Systeminputs zu erwartenden Outputs mit dem tatsächlich gemessenen Output. Das bedeutet, dass u.U. auch die einfache Messwerterfassung (durch iterative Schätzung) tatsächlich über den Entwurf eines Regelkreises (auf den Schätzfehlersollwert 0) durchgeführt werden könnte.

Dieser Iterationsprozess kann bei LTI-Systemen z.B. nach deterministischen dynamischen Gesichtspunkten analog zum Zustandsregler durch Polplatzierung (Luenberger Beobachter) oder nach statistischen Gesichtspunkten optimal bzgl. Kovarianz des Beobachtungsfehlers (Kalman-Beobachter) erfolgen. Das Prinzip der Reduzierung der Varianz von Messwerten durch Kombination der Einzelergebnisse unabhänger Quellen/Sensoren wird in der Messtechnik häufig angewendet (Sensorfusion).

Analog den Zustandsgrößen stehen ggf. auch Streckenparameter nur ungenügend genau zur Verfügung bzw. sind zeitlich nicht konstant. Auch hier können die benötigten Werte durch iterative Schätzung ermittelt werden. Beobachter in der klassischen linearen Form sind meist nicht einsetzbar, weil durch die multiplikative Verknüpfung der Parameter mit den primären Zustandsgrößen i.a. nichtlineare Systeme entstehen. Beispielweise die Anwendung des Kalman-Filters auf nichtlineare Systeme durch Linearisierung des Systems am Arbeitspunkt ist als Extended Kalman Filter aber weit verbreitet.

Neben dem Beobachterkonzept gibt es eine weitere Form der Parameterschätzung auf Basis von Referenzmodellen (MRAS). Auch hier ist der Schätzprozess i.a. nichtlinear (Nicht-LTI-System).

Werden die geschätzten Parameter auf dynamische Systeme appliziert entstehen adaptive Systeme mit nunmehr veränderter Dynamik (z.B. adaptive Messverfahren oder Regler).